Dialog mit Thomas Harms, Silke Weiß und Kirsten Timmer
Wie wir unsere Selbstanbindung wiederfinden und ein beziehungsstarkes Umfeld für Kinder schaffen
Was fordert Eltern zurzeit wirklich heraus?
Wie merke ich, ob ich meinem Kind genug Bindung schenke – oder ob unsere Verbindung zu bröckeln beginnt?
In diesem Videoblog spreche ich mit dem Körperpsychotherapeuten Thomas Harms über die tiefen Dynamiken, die viele Eltern, Kinder – und auch Lehrpersonen – aktuell bewegen.
Bindungsschwächung – ein gesellschaftliches Phänomen
Corona hat vieles sichtbarer gemacht, was gesellschaftlich längst da war:
eine chronische Überforderung von Eltern,
ein schleichender Verlust an Beziehungskompetenz,
eine Bindungsschwächung, die nicht durch „Desinteresse“ entsteht,
sondern durch Überlastung, emotionale Erschöpfung und den Druck zu funktionieren.
Kinder brauchen uns als innere Heimat.
Doch wie können wir das sein, wenn wir selbst kaum noch in uns selbst verankert sind?
Bist du noch in dir?
Bindung beginnt nicht beim Kind –
sie beginnt in dir.
Wenn ich als Mutter oder Vater nicht mehr wirklich bei mir bin,
wenn ich funktioniere, aber nicht mehr spüre,
wenn ich nur noch reagiere, aber kaum noch bei mir lande –
dann wird es schwer, emotionales Zuhause für mein Kind zu sein.
Wir sprechen im Dialog über die Bedeutung von:
- Selbstanbindung
- Körperlicher Verankerung
- Gegenwärtigkeit als Eltern
- und darüber, wie schnell wir aus dem Kontakt mit uns selbst rutschen,
wenn das Leben laut, fordernd und zu viel wird.
Toxische Scham – Wenn wir uns als falsch erleben
Ein weiterer Fokus unseres Gesprächs:
toxische Scham.
Dieses tiefe Gefühl, grundsätzlich nicht richtig zu sein,
nicht genug zu sein – als Eltern, als Mensch.
Ein Gefühl, das oft unbewusst wirkt – und das unsere Fähigkeit zur Beziehung massiv schwächt.
Denn:
Wenn ich mich als falsch erlebe, wird es schwer, mein Kind zu sehen.
Dann sehe ich nur meine Schuld, mein Versagen.
Toxische Scham trennt.
Neugier verbindet.
Die heilsame Kraft der Neugier
Wir sprechen auch über Neugier als Gegenpol zur Scham.
Wenn ich mein Kind nicht als „Problem“ sehe,
sondern beginne, ehrlich hinzuschauen:
Was will mir dieses Verhalten sagen?
Was zeigt sich hier eigentlich gerade?
Dann entsteht Raum.
Für Beziehung. Für Wandel. Für echte Verbindung.
Beziehungsbereitschaft – emotional landen lassen
Kinder erzählen uns jeden Tag ihre Geschichte –
durch Wut, Rückzug, Übersprungshandlungen, durch Spiel oder Blickkontakt.
Frage ist:
Sind wir bereit, emotionale Landebahn zu sein?
Oder sind wir irritiert, wenn unsere Kinder innerlich so unsortiert ihren Stress ausagieren?
Beziehungsbereitschaft heißt:
Ich schaue tiefer. Und lasse mich berühren von dem, was ich dort sehen oder fühle.
Beziehung in Schule – ein relationales Feld aufbauen
Last but not least sprechen wir über Schule.
Denn auch hier ist Bindung das Fundament.
Wenn ein Kind sich nicht sicher fühlt,
wird es nicht offen sein für Lernen, Sozialverhalten, Entwicklung.
Was es braucht:
- Lehrer:innen, die präsent sind
- Räume, die emotional sicher sind
- Führung, die nicht kontrolliert, sondern orientiert
Ich glaube:
Nur wenn wir ein relationales Feld schaffen – in der Familie, in der Schule, in der Gesellschaft –,
kann sich das volle menschliche Potential entfalten.
Über Thomas Harms
Thomas Harms, Jahrgang 1965, ist Psychologe, Körperpsychotherapeut und Supervisor. Er arbeitet seit vielen Jahren im Feld der bindungsbasierten Körperpsychotherapie mit Erwachsenen, Kindern und Paaren. In seiner psychotherapeutischen und krisenberatenden Arbeit verbindet er Konzepte der modernen Körperpsychotherapie mit den Ergebnissen der Säuglings- und Bindungsforschung.
Schau dir hier den ganzen Videoblog an:
Dialog mit Thomas Harms: „Bindungsschwächung, Eltern, Schule“